Es war Mitte Mai in den San-Juan-Bergen im Südwesten Colorados. Dank einiger später Frühlingsstürme und klarer, kalter Nächte war die Schneedecke noch erstaunlich dick, zumindest an den hohen Nordhängen.
Bislang waren wir vom gefürchteten roten Staub verschont geblieben, der oft aus Utahs Wüste herüberweht und die Schneedecke dahinschmelzen lässt... meist genau in dem Moment, wenn der Schnee isotherm wird und die Lawinengefahr endlich auf Grün steht.

Unterhalb der Baumgrenze herrschte dagegen ganz eindeutig Frühling. Zwischen saftigem Grün, rauschenden Flüssen und Bächen war unübersehbar: Der Winter hatte sich verabschiedet, der Frühling war endgültig eingezogen. Telluride wirkte wie eine Geisterstadt. Die Gondel stand still, die Main Street lag trocken und staubig da, ohne Touristen, Zweitwohnungsbesitzer und fast ohne Einheimische.
Es war nicht einfach nur Nebensaison. Treffender wäre es wohl, diese Zeit des Jahres als 14er-Skitourensaison zu bezeichnen – jene kurze Phase, in der Schneedecke, Hochdruckwetter, Sonnenstand, Lawinenlage und Nachttemperaturen im perfekten Gleichgewicht liegen. Dann beginnt sie endlich: die kurze, magische Zeit für steile Skitouren in hochalpinem Gelände, weit über 4.000 Meter.
Wenn du nach der Abfahrt noch bis zum Truck zurückfährst, die Sonne auf der Haut spürst, barfuß auf der Heckklappe sitzt und schon die nächste Tour planst, vielleicht sogar für den Tag danach, dann weißt du: Jetzt ist 14er-Skitourensaison.

Eine willkommene Verschnaufpause von der berüchtigt heiklen und instabilen kontinentalen Schneedecke, die wir von zu Hause kennen. In dieser Jahreszeit verwandeln sich sonst gefährliche, brüchige oder von Felsen durchsetzte Couloirs in glatte, stabile und steile Schneerinnen, ausgekleidet mit perfekt gleichmäßigem Firn. Sie bieten sichere Aufstiege, sanfte Schwünge und ein einmaliges Ski-Vergnügen für alle, die mit ein wenig Glück den sensiblen Gefrier-Tau-Rhythmus erwischen.
Triffst du zu früh ein, zahlst du den Preis: den ganzen Vormittag in steinhartem Schnee aufsteigen, nur um die Abfahrt in ebenso festen, unangenehmen Bedingungen zu absolvieren. Kommst du zu spät, ist der Firn dahin – zu weich, zerfallen, ohne Halt für dich und deine Ski, und das Risiko für Steinschlag oder nasse Rutsche steigt. Es ist ein schmaler Grat, und alles andere als perfekte „Goldlöckchen“-Bedingungen reicht bei den anspruchsvollsten 14ern einfach nicht.
Hier beginnt die Skisaison oft schon im Oktober, und dieses Mal war es nicht anders. Wenn sieben Monate später der Mai anbricht, nachdem die Sessellifte schon wochenlang still gestanden waren, kann selbst der fokussierteste Skifahrer straucheln…
Meine letzte Skitour lag schon ein paar Wochen zurück. Für kurze Zeit hatte ich Skistollen, Felltouren, zu enge Tourenskischuhe und frühe Aufstiege gegen 29“-Reifen, Chacos und faule Morgen getauscht, an denen ich einfach darauf wartete, dass die Sonne ein Stück höher steigt.
Ja, es war nett und einfach.
Und Mountainbiken macht auch Spaß.
Aber die Wahrheit ist: Als sich die San Juans vor mir auftaten, hatte ich das Radfahren fast schon vergessen und träumte nur noch von hohen Gipfeln, Sonne und Firn. Kurz bevor ich keinen Handyempfang mehr hatte und den Abstieg vom Dallas Divide begann, während Ralph Laurens Ranch schon im ersten Licht der goldenen Stunde glühte, klingelte mein Handy, und ich hielt an.
Ich wusste, der Anrufer wollte Skifahren gehen – und ich war sofort dabei.
Das Ziel: das nordöstliche Couloir am Wilson Peak.

Bei den indigenen Ute ist er als Shandoka, der „Sturmbringer“, bekannt. Von trinkfesten Ein San-Juan-Klassiker auf Skiern: Wilson Peak und die legendäre Coors Face Texanern und anderen, die es nicht besser wissen, trägt er hingegen den Spitznamen „Coors Mountain“.
Mit 4.274 Metern (14.021 ft) erhebt sich die Nordflanke des Wilson Peak imposant über das Telluride Ski Resort und das Mountain Village und weckt Tagträume bei Skifahrern aller Könnensstufen. Benannt wurde der Berg nach A.D. Wilson, dem Chef-Topografen der Hayden-Vermessung. Auch der nahegelegene Mount Wilson trägt seinen Namen.
Für die, die in seinem Schatten leben, ist der Wilson Peak nicht einfach nur ein Berg. Er ist ikonisch, typisch, fast schon mythisch. Eine schroffe, felsige, steile und imposante Pyramide, die förmlich die Frage zu stellen scheint: „Kann man hier überhaupt Skifahren?“
Obwohl ich die Antwort kannte, war es schwer, sich das Ganze vom Tal aus vorzustellen. Je nach Schneelage sah die klassische Linie jedes Jahr ein bisschen (oder auch stark) anders aus und ließ sich unterschiedlich gut befahren. Manche Jahre war sie überhaupt nicht fahrbar.
Wilson Peak ist Teil des dreiköpfigen Massivs, zu dem auch der Mount Wilson (4.344 m) und El Diente (4.317 m) gehören. Er liegt im Lizard Head Wilderness-Gebiet des Uncompahgre National Forest in der Nähe von Telluride, Colorado, in den San-Juan-Bergen.
Er ist einer von Colorados 52 „Fourteeners“ – Berge, die den Himmel zu kratzen scheinen und über 4.267 Meter hoch aufragen. Abgesehen von seiner historischen Bedeutung für die einheimischen Völker hat der Berg im Laufe der Jahre auch beträchtliche Bekanntheit als Aushängeschild für Coors-Light-Werbung erlangt und ziert das Etikett des Biers.
Wilson Peak sorgt weiterhin für Schlagzeilen, unter anderem durch seine Aufnahme in das 2010 erschienene Buch 50 Classic Ski Descents of North America, geschrieben von Chris Davenport, Art Burrows und Penn Newhard und veröffentlicht von Capitol Peak Publishing.

Nachdem ich meinen Partner mit einigen gezielten Fragen zu Wetter, Schneedecke und Bedingungen befragt hatte, einigten wir uns auf eine Startzeit für das anspruchsvolle Vorhaben, und ich begann mit dem Packen. Alles wie gewohnt: Skitourenausrüstung, dazu das spitze Zeug wie Pickel, Whippet, Steigeisen für Ski und Bergschuhe. Ich nahm mir extra Zeit, um alles auszubreiten, genau zu prüfen und sicherzugehen, dass nichts beschädigt war oder vergessen wurde. Auf dem Gipfel des Wilson Peak wollte ich auf keinen Fall feststellen, dass etwas fehlte.
In dieser Nacht wälzte ich mich ewig hin und her… tatsächlich weiß ich nicht einmal, ob ich überhaupt geschlafen habe, so sehr beschäftigte mich die Aussicht auf das Abenteuer am nächsten Tag. Jake holte mich in seinem Red-on-Maroon BullNose F-150 ab, fast so legendär wie der Wilson Peak, und wir machten uns im ersten Licht der Morgendämmerung auf den Weg zum Rock-of-Ages-Trailhead.
Für mich gab es French-Press-Kaffee, für ihn Mate. Doch noch bevor wir ankamen, stellten umgestürzte Bäume auf der schneebedeckten Zufahrtsstraße zum Trailhead ein erstes Hindernis dar. Ohne Motorsäge oder wenigstens eine Axt waren wir auf solche Blockaden schlecht vorbereitet, was uns wertvolle Zeit und Kraft kostete... und das so nah am Trailhead. Nachdem wir uns abwechselnd mit einer Handsäge durchgearbeitet hatten, nur um gleich um die Ecke auf den nächsten umgestürzten Baum zu stoßen, beschlossen wir, den Truck zu parken und die Tour knapp unterhalb von 2.926 m zu starten.
Der Schnee war, wie vorhergesagt, fest, und die Schneekruste hielt unsere Ski, sodass wir in den ersten Stunden des Aufstiegs mühelos zum Fuß des westseitigen Couloirs kamen, das zum Gipfel des Wilson Peak führte. Zum ersten Mal seit dem Verlassen des Trucks hielten wir an und wechselten ins Bootpacking: Ski auf den Rucksack, Helm auf den Kopf, Steigeisen an die Schuhe, Pickel, Whippet. Nach einem Snack und etwas Wasser machten wir uns wieder auf den Weg. Wir hatten keine Zeit zu verlieren. Die Sonne wärmte das Couloir und die Gefahr von Steinschlag von oben (wohl das bedeutendste Risiko auf dem Aufstieg) nahm zu.

Als wir uns der 4.267-Meter-Marke näherten, standen wir in einem sonnigen, westseitigen Couloir. Es war ein gleichmäßiges Gemisch aus brüchigem, flechtenbedecktem Konglomerat und altem, zerfallenem Schnee.
Den verschneiten Gipfel des Wilson Peak zu erreichen, Ski auf dem Rucksack, einen verlässlichen Partner an der Seite – das ist ein Abenteuer, das ein erfahrener Skibergsteiger ein Leben lang nicht vergisst. Vor uns erstreckten sich die gesamten San Juans, im Westen ragten die La Sal Mountains auf. An besonders klaren Tagen reicht der Blick sogar bis zu den Henry Mountains in Zentral-Utah, hunderte Kilometer weit.

So sehr der ruhige Gipfel auch zum Verweilen einlud – die eigentliche Herausforderung wartete: den Einstieg in die Linie zu finden, wahrscheinlich der entscheidende Moment der gesamten Skitour. Vorsichtig machten wir uns nach Norden über das flache Gipfelschneefeld auf, tasteten uns voran in Richtung des Northeast Couloir, das wir als den besten Zugang vermuteten. Keine Spuren wiesen uns den Weg, nur unberührter Schnee und das Geräusch des Windes begleiteten uns.
Mit den Ski auf dem Rucksack traten wir vorsichtig Stufen den Hang hinab in den vermutlich besten Einstieg. Gleich am Gipfel war es dünn und felsig, und wir konnten nur hoffen, dass sich die Bedingungen bessern würden, sobald wir ins etwas geschützte Couloir gelangten.
Von dort führte uns ein kurzer Querungsabschnitt über Geröll und Schnee direkt zum Ziel. Sobald wir das eigentliche Couloir erreicht hatten, wurde klar: Der Schnee war nicht nur weich, sondern auch tragfähig. Die Linie war durchgehend gut gefüllt, soweit das Auge reichte, bis sie tausende von Metern unter uns ins Tal rollte.
Mit den Skiern an den Füßen, den Tech-Spitzen arretiert und einer durchgehenden Bahn von perfektem Firn unter uns, tauschten Jake und ich ein wissendes Lächeln, als wir die zweite Hälfte unseres bisher größten Abenteuers in Angriff nahmen.

Ich machte den Anfang – mit einem übertriebenen Jump Turn im steilsten Abschnitt der Linie, etwa 50 Grad Hangneigung. Die Lawinengefahr war gering, und das einzige Riskio war, das wir unten im Nassschnee ins Rutschen geraten oder stürzen würden, was allerdings keine Option war.
Wie auch immer, wir nahmen uns Zeit und bewegten uns sicher voran. Das war echtes Big-Mountain-Gelände, und wir teilten denselben Respekt und dieselbe Vorsicht gegenüber dem Gipfel, den wir seit einem Jahrzehnt bewundert und uns immer wieder gefragt hatten, wie er sich wohl fahren lässt.

Je weiter wir ins Herz des Wilson Peak vordrangen, desto flacher wurde das Gelände und desto breiter die Linie. Aus vorsichtigen Jump Turns wurden bald schnelle, fließende Schwünge. Unten im Northeast Couloir angekommen, genossen wir die letzten Firnschwünge, bevor wir uns auf eine scheinbar endlose Traverse nach Westen in Richtung Truck und Trailhead machten.

Der Rest der Tour verlief zum Glück ereignislos, und wir erreichten den Truck müde, aber glücklich, mit dem guten Gefühl, eine der größten und besten Linien der San Juans bei perfekten Bedingungen gefahren zu sein. Wir waren uns einig: Das hier würden wir gern noch einmal erleben, vielleicht dann mit Pulverschnee!
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