Der höchste Gipfel der Rätikon-Alpen – ein perfektes Ziel für abenteuerlustige Familien
Von Sergei Poljak
Heidi’s Schesaplana
Obwohl es am Fuße des Berges weder ein Skigebiet noch ein mondänes Dorf gibt, hat der Name Schesaplana wohl den größten Wiedererkennungswert in den Alpen – gleich nach Mont Blanc und Matterhorn. Wie das? Nun, die Schesaplana spielt eine wichtige Rolle im Kinderbuchklassiker Heidi aus dem Jahr 1880, einem Welterfolg mit geschätzten 50 Millionen verkauften Exemplaren. Damit ist es nach Der kleine Prinz das zweiterfolgreichste Kinderbuch und rangiert unter den 20 meistverkauften Büchern überhaupt. Die Geschichte von Heidi hat die Seiten des Buches längst überschritten: Es gibt zahlreiche Fortsetzungen, Filme und Fernsehserien in Dutzenden von Sprachen, und bemerkenswerterweise findet das pastorale Thema besonders in Japan großen Anklang.
Heidi erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens, das nach dem Tod ihrer Eltern zu ihrem Großvater geschickt wird. In einem kleinen Schweizer Dorf findet sie neue Freunde und fügt sich in den einfachen Rhythmus des Dorflebens ein. Die Schesaplana ist einer von nur zwei Bergen, die im Buch namentlich erwähnt werden (der andere ist der Falknis an der Grenze zwischen der Schweiz und Liechtenstein). Hier sammelten Heidi und ihr Freund Peter Heilkräuter für die Ziegen.
Nach einigen Jahren kehrt Heidi in die Stadt zurück, um sich um das gehbehinderte Mädchen Klara zu kümmern. Zwischen den beiden entsteht eine enge Freundschaft, doch schnell zeigt sich, dass Heidi das Leben in der Stadt nicht erträgt. Schließlich zieht es sie wieder in ihr kleines Schweizer Bergdorf.
Als Klaras Arzt sie besucht, erkennt er die Chance, dass ein Sommer in den Bergen an Heidis Seite ihr guttun könnte. Und tatsächlich: Während der Zeit in den Alpen gelingt es Klara langsam und vorsichtig, wieder das Gehen zu erlernen.
Das Buch ist eine Ode an die Weidewirtschaft aus einer Zeit, in der die Welt fast komplett von ihr geprägt war. Heute gewinnt es noch mehr Bedeutung, denn 74% der Europäer leben in Städten oder Vororten – nur 26% in klar definierten ländlichen Gebieten.
Für Kinder unvergesslich, ist die Schesaplana die perfekte Tour für eine abenteuerlustige Familie. Mit 1.000 Metern Aufstieg ist die Strecke zwar anspruchsvoll, aber gut wanderbar. Genau wie Klara werden die Kinder die Anstrengung spüren und am Ende entdecken, wie viel Stärke in ihnen steckt. Die Landschaft aus der Geschichte, die hier vor euren Augen lebendig wird, sorgt für zusätzliche Magie und Inspiration. Und das Schönste: Dieses Abenteuer öffnet einen kleinen, besonderen Blick auf das Landleben – eine Welt, die immer seltener wird.
Wanderung auf die Schesaplana
Die Wandersaison hat bereits begonnen, und es wird Zeit, deine Touren zu planen. Diie Schesaplana ist nicht technisch anspruchsvoll und bietet auf dem Weg zum Gipfel eine tolle Mischung aus Landschaften und Erlebnissen.
Die Rätikon-Alpen trennen die Schweiz von Österreich und gehören zum kleinen europäischen Fürstentum Liechtenstein. Auch wenn sie kein 3.000er ist, ist die Schesaplana (2.964 m) der höchste Gipfel des Rätikon-Untergebirges und macht den Gipfel damit besonders bedeutend. Mit 815 Metern markanter Höhe bieten die Aussichten vom Gipfel eine weite Panorama-Sicht, auch wenn es dort oft wolkig sein kann.
Da die Tour aus technischer Sicht relativ einfach ist und unterwegs eine Seilbahn sowie zwei Berghütten liegen, ist sie besonders beliebt bei Familien mit Kindern, die ein kleines Abenteuer erleben wollen.
Lünerseebahn
Die Tour beginnt mit einer Fahrt mit der Lünerseebahn. Die Seilbahn öffnet im Sommer ab dem 18. Mai täglich von 8 bis 17 Uhr. So sparst du 400 Meter Aufstieg, und was gibt es Besseres, um die Kinder richtig zu begeistern, als eine Fahrt mit der Seilbahn? Wer allerdings ein paar Euro sparen oder die 1.000 Meter Aufstieg lieber komplett gehen möchte, kann die Tour auch direkt vom Parkplatz an der Talstation starten.
Apropos Parken: In der Hochsaison im Juli und August solltest du früh los, denn die Parkplätze sind schnell voll.
Die Tickets für die Lünerseebahn (Hin- und Rückfahrt) kosten 23 € für Erwachsene und 13,80 € für Kinder. Kein Schnäppchen, besonders für größere Familien. Wenn du dich stattdessen für die Wanderung entscheidest, plane auf jeden Fall ein paar zusätzliche Stunden ein.
Oben bei der Lünerseebahn liegt der See. Er ist künstlich angelegt, aber das schmälert seine Schönheit keineswegs. Eingebettet in ein riesiges Becken und umgeben von vergletscherten Gipfeln, schimmert das Wasser dank Schmelzwasser und Gletscherabfluss in einem leuchtenden Türkis. Auf knapp 2.000 m Höhe kann man an heißen Tagen Ende Juli und August sogar baden, aber auch wenn das Wasser tropisch wirkt, sei dir bewusst: Es ist richtig kalt. Das Absteigen an den steilen Uferböschungen kann je nach Wasserstand etwas knifflig sein. So oder so ist der See ein perfekter Ort für eine Pause oder ein Picknick, entweder vor oder nach dem Aufstieg zur Schesaplana.
Die Wanderung
Der Aufstieg ist lang und anspruchsvoll, aber gut machbar. Die 1.000 Meter merkt man definitiv, und umso schöner ist es, die Totalphütte für eine wohlverdiente Stärkung auf dem Weg nach oben oder unten zu nutzen, wobei ich persönlich den Abstieg empfehle, nachdem der anstrengende Aufstieg geschafft ist.
Die Tour beginnt auf einer alten Forststraße, geht aber schnell in einen steilen, zickzackenden Pfad über. Falls du gerade denkst, dass deine Kinder die 1.000 Meter an einem Tag vielleicht nicht schaffen – ein Zwischenstopp in der Totalphütte macht das Abenteuer machbar, indem er Auf- und Abstieg aufteilt.
Selbst wenn das Wetter unten super ist, kann es am Gipfel kalt und windig sein. Nimm zur Sicherheit etwas Warmes mit!
Schneepassagen
In der ersten Hälfte des Sommers gibt es auf der Tour oft Schneefelder. Sie machen die Wanderung zwar etwas anspruchsvoller, sind aber in der Regel gut zu bewältigen.
Im Sommer 2024 wird es voraussichtlich bis mindestens August noch größere Schneefelder geben. Wir empfehlen daher festes Schuhwerk und ein Paar Mikrospikes. Die Spikes sind leicht, es ist also kein großes Ding, falls du sie doch nicht brauchst. Durch sulzigen Schnee zu stapfen ist zwar anstrengend, aber auf hartem oder vereistem Untergrund sorgen die Spikes für Sicherheit. Außerdem lassen sie sich einfach an- und ausziehen.
Die Webcam an der Lünerseebahn-Station gibt dir eine gute Vorstellung davon, wie viel Schnee noch liegt.
Gletscher
Nach dem Gipfelerfolg auf der Schesaplana kannst du weiter zur Mannheimer Hütte wandern. Auf dem Weg musst du die Überreste des einst mächtigen Brandner-Gletschers überqueren. Der Gletscher ist heute kaum mehr als ein Restfeld aus Eis, aber Gletscherausrüstung, also Gurt, Steigeisen etc., bleibt Standard.
Das heute beeindruckendste des Brandner-Gletschers ist vor allem, wie stark er in den letzten Jahrzehnten geschmolzen ist.
Trotzdem ist Gletschereis immer ein beeindruckender Anblick. Da der Gletscher stark zurückgegangen ist, besteht nur noch wenig Gefahr durch Spalten oder Eisabbrüche. Er eignet sich daher hervorragend, um erste Erfahrungen mit Gletscherwanderungen zu sammeln.
Nahegelegene Schutzhütten
In der Gegend gibt es einige Hütten, aber wir konzentrieren uns auf die drei wichtigsten rund um die Schesaplana: die Totalphütte, die Mannheimer Hütte und die Douglass-Hütte.
Totalphütte
Die Totalphütte liegt auf 2.385 m auf einer kleinen Bank zwischen Lünersee und Schesaplana. Vom See aus brauchst du etwa anderthalb Stunden bis zur Hütte. Danach wartet der anspruchsvollste Teil des Aufstiegs.
Die Totalphütte bietet viele Betten für alle, die übernachten möchten, vorher solltest du aber reservieren. Alternativ kannst du einfach zum Mittagessen vorbeischauen und eine der leckeren regionalen Würste mit Sauerkraut genießen. Wie viele Almhütten akzeptiert die Totalphütte nur Bargeld, ohne gibt's hier also nix zu essen!
Beachte, dass die Hütte erst ab dem 16. Juni 2024 öffnet, obwohl die Lünerseebahn bereits ab dem 18. Mai fährt. Allerdings wird es vorher wahrscheinlich noch zu viel Schnee für eine Wanderung auf diese Höhe geben – passt also ganz gut.
Mannheimer
Die Mannheimer Hütte ist die abenteuerlichste Hütte auf dieser Liste. Hier bekommst du die Schesaplana in voller Action. Nach dem Gipfel gehst du westlich über den Grat und später nach Norden über das verbleibende Eisfeld des Brandner-Gletschers. Die Mannheimer Hütte liegt auf fast 2.700 Metern und bietet fantastische Ausblicke auf die Schesaplana, den Brandner und die umliegenden Bergketten. Wie gesagt, die Tour ist nicht übermäßig technisch, aber eine Standard-Gletscherausrüstung ist Pflicht – für die Heidi-Fraktion ist das also eher nichts.
Douglass Hütte
Die Douglass-Hütte liegt direkt neben der Lünerseebahn-Station. Sie ist ein beliebter Stopp für Snacks, Mittagessen, Getränke, Kaffee oder Süßes. Auf der Terrasse hast du einen tollen Panoramablick auf den See und die umliegenden Berge. Auch hier gibt es Betten für alle, die das Hütten-Erlebnis genießen möchten, aber nicht wandern wollen.
Alternative Abenteuer
Vielleicht bist du gleich mehrere Tage hier und brauchst mehr als nur eine Tour. Oder es liegt noch zu viel Schnee für die Schesaplana. Wie auch immer... wir haben ein paar Abenteuer in niedrigerer Lage für dich. Diese Wanderungen sind alle schon früh im Sommer schneefrei, lange bevor du die oberen Hänge der Schesaplana erreichst.
Für ein ganz entspanntes Abenteuer kannst du den Lünersee auf der alten Forststraße umrunden. Es ist die einzige Wanderung hier in der Gegend, bei der du kaum Höhenmeter machst.
Neben den unten vorgestellten Touren kannst du in der PeakVisor-App hunderte weitere Ideen für die Region entdecken. Eines ist sicher: Wanderungen gibt es hier ohne Ende. Du musst nur wissen, wo die Bedingungen stimmen.
Gafalljoch und Lüneregg
Neben einem Spaziergang rund um den See ist das Gafalljoch vom Lünerseebahn-Parkplatz aus die entspannteste Wanderung. Zunächst folgst du der alten Forststraße bis zur Lünersee-Alpe-Hütte. Von dort geht es direkt nach Süden bergauf. Zuerst erreichst du den Pass (oder Joch), und wer mag, kann noch etwa 50 m weiter bis zum Gipfel der Lüneregg steigen. Insgesamt sind es rund 300 m Höhenunterschied von der Lünerseebahn-Station bis zur Lüneregg.
Schafgafall
Der Schafgafall thront über der Lünerseebahn-Station und dem See. Wie die Schesaplana ist die Tour steil und anspruchsvoll, aber der Höhenunterschied beträgt weniger als die Hälfte. Der Gipfel liegt nur auf 2.414 m, sodass der Schnee hier deutlich früher schmilzt als auf der Schesaplana.
Zimba
Dank der Geschichte von Heidi ist die Schesaplana zweifellos der bekannteste Berg im Rätikon. Allerdings ist die Zimba der wohl ikonischste Gipfel. Sie bildet eine perfekte Hornform, und der Westgrat ist ein Klassiker. Ganz einfach ist das allerdings nicht, es ist echtes Bergsteigen. Die Route ist mit UIAA-Grad III bewertet, das heißt, es warten ein paar hundert Meter gesichertes Klettern entlang des Grats bis zum Gipfel.
